Entwicklung von Instrumenten für die Eingliederungspraxis – Das Beispiel Job-Matching-Tool
Das Job-Matching-Tool hilft Menschen mit Querschnittlähmung bei ihrer Arbeitsplatzsuche.
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen ParaWork und SPF entstehen Instrumente mit hohem Nutzen für die Praxis. Sie unterstützen den Eingliederungsprozess sehr, weil sie einen grossen Fokus auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten einer Person legen.
Ein Beispiel dafür ist das Job-Matching-Tool. Es hilft Menschen mit Querschnittlähmung dabei, einen Job zu finden, der zu ihren Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnissen passt. «Oftmals können Betroffene mittels Umschulungen bei ihrem alten Arbeitgeber in einer anderen Funktion weiterarbeiten. Dies ist zunächst einmal sehr begrüssenswert. In vielen Fällen können sie ihre neuen Aufgaben aber trotzdem nicht bewältigen, sei es aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen oder weil sie mit ihrer Tätigkeit unzufrieden sind. Diesen sogenannten ‹Mismatch› möchten wir mit dem Job-Matching-Tool verhindern», so Stefan Staubli von ParaWork.
Individuelle Lösungen sind das Ziel
Das Job-Matching-Tool ist ein Instrument, das die Fähigkeiten und Interessen einer Person systematisch mit den Anforderungen von rund 2000 Berufen im Schweizer Arbeitsmarkt abgleicht. Denn: Je besser die Eigenschaften eines Menschen mit den Anforderungen einer Tätigkeit übereinstimmen, desto zufriedener, produktiver und gesünder ist die Person in dem Job. Und damit steigt auch ihre Chance, dass sie diesen Job langfristig ausüben kann und will.
Mithilfe des Tools erkennen die Integrationsfachleute, ob die bisherige Tätigkeit einer Person weiterhin möglich ist, welche Massnahmen für eine Rückkehr in die Tätigkeit noch nötig wären, und welche beruflichen Alternativen es gäbe, inklusive der dafür nötigen Umschulungen.
Bei ParaWork ist das Tool seit 2022 als Standard implementiert, nachdem es über mehrere Jahre unter Leitung von Urban Schwegler in Zusammenarbeit mit den Integrationsfachleuten entwickelt wurde. «Es ersetzt nicht das Wissen und die Erfahrungen unserer Fachleute», so Stefan Staubli, «aber es erleichtert ihre Arbeit, nämlich eine möglichst passende und nachhaltige Lösung für jede einzelne Person zu finden.»
Das Tool findet Eingang in die Politik
Nun hat auch die Politik das Potential des Job-Matching-Tools erkannt. Aktuell wird es bereits im Bundesamt für Sozialversicherungen diskutiert – zum Vorteil für Menschen mit Behinderungen.
Zur Einsparung von Rentenkosten sind Leistungsträger wie die IV daran interessiert, Personen mit Behinderungen eine möglichst hohe Arbeits- und Erwerbsfähigkeit zu attestieren: Betroffene sollen möglichst schnell wieder mit einem hohen Arbeitspensum, idealerweise zu 100 % arbeiten. Zudem: Werden IV-Renten mithilfe von Lohntabellen berechnet, die für die Gesamtbevölkerung gelten, so wird der jeweilige Behinderungsgrad einer Person nicht berücksichtigt.
Die langfristigen Folgen dieser undifferenzierten Praktiken werden jedoch oft übersehen: Personen, die Vollzeit arbeiten müssen, weil sie keine IV-Rente erhalten, scheiden häufig vorzeitig aus dem Job aus. Hingegen sind Personen mit einer IV-Teilrente und einem Teilzeitpensum viel langfristiger auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Dies zeigen Daten aus der SwiSCI-Studie: Es scheint, dass hohe Pensen auf lange Sicht zu einer gesundheitlichen Überlastung der Betroffenen führen {Schwegler et al. 2021}. Scheiden sie dann aus dem Job aus, wird es umso schwieriger, sie erneut in den Arbeitsprozess zu integrieren.
Das Job-Matching-Tool könnte nun einen Wandel dieser Praktiken einleiten: Es erlaubt nicht nur, die Fähigkeiten einer Person den Anforderungen ihrer Arbeit gegenüberzustellen, sondern es kann auch den körperlichen, psychischen und geistigen Belastungsgrad von Tätigkeiten mit einer Punktezahl beschreiben. So lässt sich präzise angeben, in welchen Berufen eine Person mit einer bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigung noch arbeiten kann. Dies ist entscheidend für eine faire Berechnung der IV-Rente.
Urban Schwegler möchte, dass das Tool von allen Schweizer IV-Stellen eingesetzt wird: «Wenn wir die Erwerbsquote unter Menschen mit Behinderungen erhöhen möchten, sollte das Bundesamt für Sozialversicherungen die individuellen Einschränkungen stärker berücksichtigen und flexiblere Rentenmodelle einführen. Ziel der Sozialversicherungen sollte es sein, dass Menschen mit Behinderungen langfristig im Arbeitsmarkt verbleiben, und nicht, dass sie möglichst rasch wieder ein – zu – hohes Pensum leisten.»
Auf den Punkt gebracht: Was haben Menschen mit Querschnittlähmung von der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis?
«Durch die Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe ‹Arbeit und Integration› können wir unsere Leistungen kontinuierlich evaluieren und verbessern. Unsere Klient/-innen profitieren so von einem Eingliederungsprozess, der ihre individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten immer besser berücksichtigt. So erhalten sie eine langfristige Perspektive auf dem Arbeitsmarkt.»
Stefan Staubli, ParaWork
«Die Zusammenarbeit mit ParaWork macht für uns die berufliche Integration von Menschen mit Querschnittlähmung besser spürbar. So wissen wir, welche Probleme wir in der Forschung aufgreifen müssen, und können Lösungen entwickeln, die wirklich den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen.»
Urban Schwegler, SPF